Datenbanken und Debatten

Angebote, die Orientierung geben können.

Artist-in-Residencies (AiR) sind in erster Linie Angebote an die adressierten Künstler:innen and alike. Es gibt viele und sehr unterschiedliche Angebote. Da ist es hilfreich, dass es wiederum andere Angebote gibt, die eine Orientierung im Pool der Residenzen geben möchten und sich als ein Service für mögliche Bewerber:innen verstehen.

Collage: Yvonne Wilhelm

Die meisten dieser Servicewebseiten sind als Datenbanken angelegt, in denen ein Residenz-Programm von der gastgebenden Institution in einer vorgegebenen Maske eintragen werden kann. Wie weit die Angaben redaktionell von den Betreiber:innen dieser Websites überprüft oder bearbeitet werden ist schwierig zu prüfen. Aber allein die Auflistung der wichtigsten Informationen – wo, für wen, wie lange, die Höhe der Stipendien oder (auch das Gegenteil gibt es) der Aufenthaltskosten und Hinweise aufs Bewerbungs- und Auswahlverfahren –  zu einem Künstlerhaus oder AiR-Programm dient ja schon der Orientierung und als Ausgang für weitere Recherchen. Allerdings bleibt auch beim Blick auf die Onlinedarstellungen der jeweiligen AiR-Institutionen vieles vage.  Es würde ein gutes Zusammenkommen von Künstler:innen und Gastgeber:innen fördern, wenn die anbietende Institution ihr Verständnis von künstlerischer Produktion fortwährend formulieren würde, möglicherweise auch wie sich das bei einer Konstanz von Raum, Zeit und Ausstattung verändert hat. Eine Vorstellung von möglichen stillen Erwartungen geben auch Hinweise auf die Entstehung des Programms: warum wurde das Programm ins Leben gerufen und wie weit wird dieser Ansatz weiterverfolgt? Insbesondere das Verständnis von Lokalität und (nicht-kunstproduzierender) Nachbarschaft scheint ein weicher aber auch häufig verklärter Faktor in dem Gefüge. Eine bessere (nicht per se repräsentative) Darstellung der Gastgebenden ermöglicht auch den Künstler:innen ihre Erwartung anzupassen: welche finanziellen, zeitlichen und technischen Ressourcen stehen der Institution zur Verfügung? Dies lässt sich unmöglich redaktionell von einer Serviceseite bearbeiten. Aber vielleicht liesse sich ja die eine oder andere Datenbankmaske anpassen.

Neben den wichtigen und weichen Fakten für das Bewerbungsverfahren, braucht es allerdings auch kontinuierliche Debatten zu AiR – unter Künstler:innen und anderen Kunstarbeiter:innen, unter den Programminstitutionen, auf kulturpolitischer Ebene und zwischen diesen Akteur:innen. Angeregt und geführt werden derartige Debatten immer wieder von einzelnen Institutionen. Aber deren Mittel und Möglichkeiten sich zu verbinden oder das Erarbeitete weiterzutragen, sind häufig begrenzt.

Da ist es ein willkommenes Geschenk, dass es TransArtists vom DutchCulture Institut gibt, deren Selbstverständnis es ist, „knowledge and experience on artist-in-residence programmes and other international opportunities for creative professionals to temporarily stay and work elsewhere“ zu verbinden und teilen.

Nochmal sorgfältiger und breiter als andere Institutionen scheinen mir die Debatten hier vielfältig, divers, zugänglich, spielerisch, unterhaltend und substantiell. Dies hat sich insbesondere in den Zeiten der Pandemie gezeigt, als so vieles online ging und wir* einerseits die Möglichkeit bekamen, an vielen Debatten ohne Reiseaufwand teilzunehmen. Aber viel zu selten gingen Veranstaltungen über das Vortragende mit anschliessendem Q&A hinaus zu einem verbindenden und offenen translokalen Austausch.

Mit der dritten Ausgabe ihrer Online-Zeitschrift station2station verwies transartits augenzwinkernd auf diesem Umstand: neben Texten, die für die Ausgabe entstanden, aber auch Wiederveröffentlichungen die wiederum auf andere Projekte verwiesen, wie Taru Elfvings Beitrag How to be at home auf die Publikation Contemporary Artist Residencies: Reclaiming Time and Space (2019), spiegelt die Lesbarkeit der Ausgabe den eigenen technischen Zugang: je schwächer die Datenleitung, desto poröser der Text. Auf diese Weise wurden wir* Leser:inenn nicht nur an die technische Instabilität aktueller Onlinekonferenzen erinnert, sondern subtil auch mit der Frage nach häufig eingeschränkten und eben nicht nur technischen Zugängen zu möglichen Debatten konfrontiert.

Ich highlighte die Arbeit von Transartists hier auch, weil deren Angebot für meine eigene Recherche so wichtig war und ist: eben nicht nur konkrete Antworten auf selbstgestellte Fragen zu bieten, sondern mich auf Umwege zu führen, die immer auch bereichernd für den eigenen Fokus sind. Also, toll, dass es euch und andere wie beispielsweise die schon seit Anfang der 1990er Jahre aktive Resartis oder die von Arquetopia kürzlich geführte Debatte gibt, die eine viel zu lange vernachlässigte nicht-westliche Perspektive einbringt.