Timespan, Helmsdale

In diesem Blog werden vermutlich auch in Zukunft keine spezifischen Programme oder Künstlerhäuser vorgestellt. Dafür fehlen mir Erfahrungsschatz, Kenntnisse und Ressourcen. Selbst die AiR, die ich kennenlernen durfte, werde ich in der Regel nicht portraitieren – dazu sind andere Zusammenhänge vermutlich geeigneter. Aber Ausnahmen sind verführerisch und immer wieder notwendig.

Daher geht es in diesem Beitrag um Timespan in Helmsdale im schottischen Norden am Rande der Highlands. Die Künstler:innengruppe knowbotiq wußte von meiner Recherche zu AiR und machte mich Ende 2019 auf die Kuratorin Sadie Young aufmerksam. Sadie hatte zwei Jahre zuvor die Leitung von Timespan übernommen und einiges vor. Eine Residency war dabei durchaus vorstellbar.

Timespan wurde Mitte der 1980er Jahre gegründet wurde und bespielt die Räume einer umgebauten Fischverarbeitungshalle mit Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Workshopräumen, einem sehr kleinen „Heimatmuseum“, öffentlichem Archiv, Büros, einer kleinen Gäst:innen bzw. Kurator:innenwohnung, Kräutergarten, und Cafe mit eigener Bäckerei.  Das anfängliche Bestreben für die Gründung war nach Auskunft von Jacquie Aitken, Künstler*innen nach Helmsdale zum Arbeiten und Ausstellen zu bringen und in der Verbindung mit dem kleinen „Heimatmuseum“ eine Attraktion für den Tourismus darzustellen. Das war erstrebenswert, da der kleine Fischfang und die kleinteilige Landwirtschaft mit Schaftzucht nicht genug Einkommen für einen Ort generierte, der wie viele andere Ortschaften in Folge der Highland Clearances entstanden ist und die Highlands sich zu einem zarten, mittlerweile sehr erfolgreichen Reiseziel entwickelten.

Helmsdale hat um die 800 Einwohner:innen und liegt weit abseits sogenannter kultureller Zentren. Etwas, dass Timespan mit vielen anderen Kunstinstitutionen in Schottland teilt. Aber das kann Verbindungen in einer Form stärken, die etwas anderes ermöglichen.

Ich besuchte Timespan, wie einige andere Gäst:innen, für einige Tage im Januar / Februar 2020 als dort das Symposium Molecular Intimacies im Rahmen von knowbotiqs Ausstellung thulhu thu thu, before the sun harms you stattfand. Das waren magische Tage. Das mag an dem Ereignis gelegen haben. Aber es war nur allzu offensichtlich, dass sich hier eine institutionelle, kuratorische und künstlerische, lokale und gemeinschaftliche Praxis  artikuliert, deren Grundlagen schon vorher sorgfältig und achtsam bearbeitet wurden.

Dies wurde auch schon in den Tagen zuvor in Gesprächen mit Sadie und Jackie deutlich – die kurze Vorstellung auf der Timespan-Website trifft vieles von dem Eindruck, den Jackie macht: encyclopedic and endlessly curious about local history and how community knowledge informs and produces history. A trained archaeologist, she’s our star landscape de-coder and favourite person to walk the hills with. Es wirkt selbstverständlich bei Timespan, dass Aktivitäten an einem bestimmten Ort immer in einem grösseren Zusammenhang stehen. Und dass sich Orte erweitert begreifen lassen, wenn diese offensichtlichen und konkreten wie die imaginierten und formulierten Verbindungen aktiviert werden. In dem Kontext des Symposiums, welches übrigens zu einem grossen Teil an verschiedenen Punkten in den Highlands stattfand, waren die thematischen Setzungen – to critically engage and participate in the contaminated landscapes of the Scottish Highlands and the cultural, technological, political and social apparatus which govern them -von ebenso großer Bedeutung wie die die temporäre Gemeinschaft selbst, die Ausflüge mit mehreren selbstorganisierten Community-Vans, die gemeinsamen von verschiedenen Gäst:innen aus der Region und elsewhere bereiteten Mahlzeiten, die geteilten Aufgaben und Zuständigkeiten und diversen aktivistischen und künstlerischen Beiträge. Es waren künstlerische, aktivistische, nachbarschaftliche, (ver-)sorgende Praxen mit diversen Bezügen zum Thema und dem Raum. Es entstanden Intensitäten, die sich räumlich und zeitlich ausdehn(t)en.

Timespan fühlt sich offensichtlich mit all seinen Programmteilen und Aktivitäten einer Lokalität ebenso wie verschiedenen Communities und Praxen verpflichtet. Dabei wird Wissen lokalisiert, geteilt und weitergetragen – in den Ort hinein, aus diesem heraus. Ein Praxis, die selbstverständlich nicht nur bei Timespan sondern an vielen und immer mehr Orten, in selbstorganisierten Räumen und an instituierenden Kunsthäusern stattfindet. & in diesem Zusammenkommen temporärer Gemeinschaften zum gemeinsamen Arbeiten und Austausch eine Form ist, die sehr häufig in Künstlerhäusern und anderen AiR zu finden ist. && sehr häufig an Orten ausserhalb sogenannter Zentren.